Wie werden wir uns in den nächsten Jahrzehnten ernähren? Müssen es unbedingt Insekten, Kunsthühnchen auf Erbsenbasis oder Fleisch aus dem Labor sein? Ein erster Vorgeschmack.
Wenn wir uns die futuristischen Illustrationen aus den 1950er-, 1960er-Jahren von Satellitenstädten und durch sie hindurchschwebenden Fahrzeugen ansehen, lächeln wir milde: Alles nicht eingetreten. Andererseits müssen wir zugeben, dass sich die Gesellschaft seither auf praktisch allen Gebieten grundlegend geändert hat. Genauso wird es zukünftig auch mit unserer Ernährung sein: Es ist zwar keineswegs ausgemacht, dass unsere Nachkommen in ein paar Jahrzehnten Würmer, Heuschrecken oder Grillen ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan haben werden, aber sie werden mit Sicherheit völlig andere Ernährungsgewohnheiten haben. Und das wiederum hängt mit zwei der drängendsten Themen unserer Zeit zusammen: dem Klimawandel und dem Bevölkerungswachstum. Bei beiden ist das Jahr 2050 ein kritisches Datum. Im Übereinkommen von Paris haben sich die Staaten dieser Erde auf die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad gegenüber den Werten vor der industriellen Revolution geeinigt. Sie drehen seither an zahlreichen Schrauben in Richtung Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität. Zweitens wird die Erdbevölkerung bis zu diesem Datum, nämlich 2050, von derzeit annähernd 7,9 Milliarden auf etwa 9,7 Milliarden Menschen anwachsen. Wie kann es gelingen, dass diese vielen Manschen sich klimaschonend ernähren?
Rindfleisch auf Erbsenbasis
Zu den größten Klimasündern zählen Rinder: Nicht nur, dass sie das Treibhausgas Methan ausstoßen, das einen 25-mal stärkeren negativen Emissionseffekt hat als CO₂. Zur Produktion ihrer Futtermittel werden große Mengen an Waldflächen gerodet und in Ackerland umgewandelt, das wiederum Dünge- und Pflanzenschutzmittel benötigt. Und schließlich tragen auch die Transporte, so etwa von Soja aus Nord- und Südamerika für europäische Rinder, zur Verschlechterung der CO₂-Bilanz bei. Im Silicon Valley haben sich bereits Unternehmen gebildet, deren Produkte auf Erbsenprotein basieren und nach Rind- und Hühnerfleisch schmecken. Des Weiteren werden Verfahren für Käse aus pflanzlichen Rohstoffen sowie für laborgezüchtetes Fleisch entwickelt. Letzteres hat den interessanten neuartigen Aspekt, dass es zwar Fleisch ist, aber kein Tier dafür geschlachtet werden muss. Mittels Biopsie an einer lebenden Kuh, so das Versprechen, sollen Muskelstammzellen entnommen und im Labor auf Tonnenschwere weiterkultiviert werden. Eine echte – ergänzende – Alternative sind Algen. Denn sie sind reich an Eiweißen, Vitaminen und Ballaststoffen, benötigen aber nur einen Bruchteil der Anbaufläche von, beispielsweise, Getreide und sind um ein Vielfaches ertragreicher. Wer seine Misosuppe gelegentlich mit Wakame-Algen zu sich nimmt, weiß aber, dass der fischige Geruch gewöhnungsbedürftig ist.
Was für Insekten spricht – und was dagegen
Insekten haben gegenüber der Rinder-, Schweine- oder Hühnerhaltung eine Reihe von bestechenden Vorteilen: Sie verursachen kaum Treibhausgas und benötigen wenig Flächen, Wasser und Futtermittel. Sie sind eiweißreich, nahrhaft und vielfältig. 1.900 Arten werden bereits heute gegessen und sind ein traditionelles Nahrungsmittel für zwei Milliarden Menschen – freilich nicht in der westlichen Welt. Buddhisten muss man mit Insekten aber wohl nicht kommen. Sie denken sofort an das Segnungsmantra „Mögen alle Wesen glücklich sein“, das schon Schopenhauer beeindruckte. Der fügte an: „Denn grenzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten […]“. Es impliziert ja, dass man diese Wesen, so klein und unbedeutend sie auch sein mögen, nicht massenhaft tötet. In buddhistischen Foren wird sogar darüber diskutiert, was zu tun ist, wenn man unabsichtlich ein Insekt verletzt oder zertreten hat. Daher werden Buddhisten vermutlich nicht die primären Kunden von Buffalo- und Mehlwürmern, Wanderheuschrecken und Grillen werden. Viele Nichtbuddhisten werden dergleichen ablehnen, weil sich das Verspeisen von Insekten zu weit von ihren kulturellen und kulinarischen Gewohnheiten befindet. Radikale Lösungen, die für alle gelten, sollen ohnehin in Richtung eines Totalitarismus gehen, den niemand will. Vielleicht liegt die Antwort in einer Vielzahl an Alternativen zwischen der Algenproduktion irgendwo fern im Meer und Kleinbetriebserzeugnissen aus der eigenen Region. Auch die gute alte Mäßigung – nicht zu verwechseln mit unfreiwilligem Verzicht – gehört dazu. So soll etwa Epikur mit einem einfachen Abendessen aus Brot, Gemüse und Oliven bereits glücklich gewesen sein.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 119: „Zukunft gestalten"'
Die veganen Fleischersatzprodukte von www.beyondmeat.com auf Basis von Erbsen- und Sojaprotein sollen fast wie Rindfleisch schmecken. In Filialen von Kentucky Fried Chicken, McDonald‘s und anderen Fast-Food-Ketten wird derzeit getestet, wie sie bei den Kunden ankommen. Der kalifornische Hersteller www.impossiblefoods.com ist vor allem für seine rein pflanzlichen Burger bekannt, die in Fast-Food-Restaurants in den USA verkauft werden. Die Produkte des Schweizer Start-ups Planted, www.eatplanted.com, basieren auf Erbsenprotein und -fasern und schmecken nach Hühnerfleisch. |
Bild Text und header ©Francesco Ciccolella
Bild Teaser © Pixabay