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Leben

In den letzten Jahren suchten viele Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus ihrer Heimat geflüchtet sind, Schutz in Deutschland. Drei von ihnen, die sich für Buddhismus interessieren, erzählen von ihren Erfahrungen.

Islam floh im letzten Jahr aus Ägypten. Als Bisexueller und Atheist war sein Leben bedroht. Er wurde als Asylbewerber anerkannt und lebt nun in Rheinland-Pfalz mit seinem Freund, der Muslim ist. Beide haben in einer Gemeinschaftsunterkunft Todesdrohungen erhalten und wurden Opfer von Gewalt. Sie wollen deswegen anonym bleiben. In Ägypten arbeitete Islam ehrenamtlich sowie beruflich für verschiedene Tierschutzorganisationen. Das ist auch sein Berufswunsch in Deutschland. Hier schätzt er die religiöse Vielfalt. So besuchen sein Freund und er auch schon mal eine Weihnachtsmesse.

Als ich Islam zu einem Amt begleitete, gingen wir an einem asiatischen Laden vorbei, und er war begeistert von den vielen Buddha-Figuren, die im Schaufenster standen. Als ich ihn darauf ansprach, erzählte er mir, dass er buddhistische Schriften liest, die ins Arabische übersetzt wurden, wie zum Beispiel das Dhammapada. Buddhist*innen sind in Ägypten nicht sichtbar, denn sie werden diskriminiert. Buddhistische Schriften sind nicht öffentlich erhältlich. Sie sind lediglich über das Internet verfügbar. Angeboten werden sie von einer kleinen Gruppe arabischer Buddhist*innen, die Pali-Schriften übersetzen. Auf die Frage, warum er sich als Atheist für Buddhismus interessiere, berichtet er, dass die meisten Menschen, die sich von Religion abwenden, eine Leere spüren. Es gäbe ein Bedürfnis nach Spiritualität und der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens. Speziell Buddhismus habe ihn immer interessiert, da er Hass ablehnt.

Religionsfreiheit

Badr ist Anfang dreißig, schwul und flüchtete aus dem Irak nach Deutschland. Er studiert in Deutschland und spricht sehr gut Deutsch. Auch er möchte anonym bleiben. Er erzählt: „Ich bin Atheist und finde Religion für mich persönlich nicht unbedingt notwendig. Ich lebe ohne Religion. Ich selbst wurde als Muslim erzogen. Ich hatte aber immer Schwierigkeiten mit den Gedanken des Islam. Als ich mich mit der Bibel auseinandersetzte, fand ich, dass es auch nichts für mich ist.“

Badr erzählt, dass er vor einigen Jahre eine sehr schwere Zeit durchlebte. Er dachte, dass er in einer buddhistischen Gruppe die Unterstützung bekommen könnte, die er braucht: „Da ich mich mit Sufismus auskenne – dort meditiert man zusammen –, suchte ich nach einer Gruppe, mit der ich gemeinsam Meditation üben kann. Gleichzeitig wollte ich etwas Neues erleben und neue Menschen kennenlernen. Ich fand eine Gemeinschaft in Bonn.“ Es handelte sich um ein Diamantweg-Zentrum. „Ich war nur einmal dort und habe mich tatsächlich nicht wohlgefühlt. Die ganze Zeit schauten mich alle komisch an“, erzählt er. Dann sei eine Frau zu ihm gekommen und habe ihn gefragt, ob er Muslim sei. Wahrscheinlich hätten sie dies aus seinem Aussehen geschlossen. „Ich fühlte mich sofort schlecht, weil ich persönlich niemals auf die Idee kommen würde, jemanden nach seiner Religionszugehörigkeit so direkt zu fragen. Und als ich ‚Warum?‘ fragte, antwortete sie: ‚Na ja, wir haben Probleme mit dem Islam, weil Moslems Probleme mit uns haben.‘ Und sofort war sie wieder weg“, so Badr weiter.

Für Badr war dies ein einschneidendes Erlebnis. Er fühlte sich getroffen, verspürte Angst und auch Wut. Buddhistische Zentren hat er seitdem nicht mehr besucht. Aber es blieb nicht bei dieser einen Enttäuschung. Er erlebt im Alltag oft Rassismus.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"

UW120


Zaher Alkaei ist dreißig Jahre alt und floh 2015 von Syrien nach Deutschland. Er lernte Deutsch, schloss seinen Master in Musikwissenschaft ab und studiert nun Linguistik im dritten Semester. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitet er als Musiklehrer und Dolmetscher.

U\W: Wie stehen Sie allgemein zum Thema Religion?

Alkaei: Ich habe mich schon vor langer Zeit von Religionen distanziert. Ich meine, dass die Menschen Religionen erschaffen haben, und dass nicht ein göttliches Wesen der Ursprung von Religion ist. In Syrien habe ich mich als Atheist definiert. Hier in Deutschland sehe ich für diese Selbstbezeichnung keine Notwendigkeit mehr und betrachtete mich eher als Post-Atheist. Ich interessiere mich für Zen.

Kannten Sie in Syrien schon Zen-Buddhismus?

Alkaei: In Syrien gibt es keine Religionsfreiheit wie in Deutschland. Ein Wechsel der Religion ist kaum möglich. Aber die Regierung interessiert sich nur für Politik. Solange Religionsausübung nicht politisch wird, ist es kein Problem. Zen wurde in Syrien ein wenig in den 80ern oder Anfang der 90er durch die Anime-Serie „Ikkyū san“ bekannt. Die Serie handelt vom jungen Zen-Mönch Ikkyu.

Wie sind Sie in Deutschland zum Zen-Buddhismus gekommen?

Alkaei: Ich interessierte mich erst für säkulare Formen der Meditation wie MBSR, weil ich mir Lösungen für Probleme versprach. Aber dann merkte ich, dass mir etwas fehlte. Ich habe mich gefragt: „Was ist der kulturelle Hintergrund dieser Praxis?“ Und dann habe ich im Internet gesucht und Videos von Alan Watts, sein Buch „The Way of Zen“ aus dem Jahr 1957 ist ja ein Bestseller, und Krishnamurti gefunden. Dies und auch einiges aus dem New Age wurden ins Arabische übersetzt.

Irgendwann habe ich mich gefragt, ob es Zen-Zentren in Berlin gibt. Ich fand einige Gruppen. Doch viele von ihnen legen großen Wert auf Äußerlichkeiten, zum Beispiel auf buddhistische Kleidung. Eine Gruppenzugehörigkeit und erkennbare buddhistische Identifikation waren mir aber nie wichtig. Ich bezeichne mich auch heute nicht als Buddhist, sondern als Zen-Studierender. Am Ende landete ich beim Akazienzendo. Zunächst gefiel mir die Website, und ich besuchte die Gruppe. Neben dem Zazen machten wir Gehmeditation. Die kannte ich damals noch nicht. Am Ende rezitierten wir das Herzsutra. Das gefiel mir besonders. Daraufhin meldete ich mich zu einer Einführung an. Schnell engagierte ich mich ehrenamtlich. Ich unterstütze das Akazienzendo im Social-Media-Bereich. Bald schon startete ich meinen YouTube-Kanal und die Facebookseite „Zen in Arabic“.

Wie wurden Sie im Zendo aufgenommen?

Alkaei: Das Akazienzendo ist ein sehr ruhiger Ort, und es gab am Anfang nicht so viele Kontakte. Im letzten Sommer habe ich an einem Retreat teilgenommen. Da erfuhr ich viel Wertschätzung. Ich fühlte mich sehr willkommen. Eine Teilnehmerin, die von meinem YouTube-Kanal wusste, hat mich dann gefragt, ob ich das Herzsutra für die Gruppe einmal auf Arabisch rezitieren möchte. Ich habe das Sutra selbst übersetzt. Am Abend vorher habe ich mir überlegt, wie ich das rhythmisch strukturieren kann.

Ist es schwierig, buddhistische Schriften ins Arabische zu übersetzen?

Alkaei: Ich übersetze meist Texte aus dem Englischen ins Arabische, etwa von Shunryu Suzuki. Das ist einfacher als die Übersetzung von Texten, die bereits mehrfach übersetzt worden sind, irgendwann in Deutsch vorliegen und dann vom Deutschen noch mal ins Arabische übertragen werden sollen. Ich habe auch schon Texte aus dem Daodejing vom Chinesischen ins Deutsche übersetzt. Ein Follower meiner Facebook-Seite wies mich dann darauf hin, dass es bereits eine Übersetzung aus dem Chinesischen ins Arabische gibt. Für diese Übersetzung wurden sehr viele Begriffe aus dem Sufismus gewählt. Dies macht es arabischsprachigen Lesern einfacher, einen Zugang zu dem Text zu finden. Ich finde das sehr interessant. Ich selbst aber versuche, in meinen Übersetzungen keine arabischen Wörter zu wählen, sondern bleibe bei den Originalbegriffen wie „Sangha“ oder „Sutra“ und erkläre sie in Fußnoten.

Sind buddhistischen Gemeinschaften ausreichend inklusiv?

Alkaei: Wenn Araber in ein Zentrum kommen und nur weiße Menschen sehen, dann fühlen sie sich vielleicht etwas ausgeschlossen und denken, dass es nicht ihr Ort ist. Wenn die Gemeinschaften Informationen in ihrer Muttersprache anbieten würden, wäre das ein guter Anfang. Viele Araber lernen ja erst Deutsch und tun sich auch schwer mit dieser Sprache. Generell sollten Sanghas versuchen, sich für People of Color mehr zu öffnen.

Können Sie noch etwas zu Ihrem YouTube-Kanal erzählen?

Alkaei: Es gibt im Arabischen nur wenige Informationen zum Buddhismus und praktisch nichts zu Zen. Ich habe auf dem Kanal bzw. meiner Facebookseite ungefähr 900 Abonnenten. Die kommen aus Syrien, Ägypten, Irak und aus anderen arabischen Ländern, aber auch aus Deutschland und Frankreich. Ich bringe meinen Content auf Englisch und Arabisch, damit auch andere, wie mein Dharma-Lehrer Bernd Bender, mitlesen können.

Gibt es weitere arabische Ressourcen zum Buddhismus im Internet?

Alkaei: Ja, in den sozialen Netzwerken existieren Gruppen, in denen auf Arabisch Buddhismus diskutiert und studiert wird. Diese sind nicht einfach zu finden, mit mehr als 12.000 Mitgliedern teilweise aber sehr groß.

  

Tobias Trapp arbeitet als Software-Architekt und praktiziert richtungsübergreifend. Er ist einer der Gründer*innen der „Sangha unter dem Regenbogen“, einer Gruppe für LGTB+, die sich für Buddhismus interessieren. Er kümmert sich in Mainz um queere Geflüchtete.

 

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Tobias Trapp

Tobias Trapp

Tobias Trapp arbeitet als Software-Architekt und praktiziert richtungsübergreifend. Er ist einer der Gründer*innen der „Sangha unter dem Regenbogen“, einer Gruppe für LGTB+, die sich für Buddhismus interessieren. Er kümmert sich in Mainz um queere Geflüchtete.
Kommentare  
# Kirsten 2022-08-25 10:34
Ein sehr spannendes Thema. Danke für den Beitrag und gerne mehr!
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# Raimund Hopf 2022-08-28 16:52
Ich bewundere Tobias Trapps Engagement gegen Form der Diskriminierung und wünschte viel mehr von uns Buddhisten würden sich für Menschen in Not oder Ungerechtigkeit stärker einsetzen. Herzlichen Dank für diesen Artikel!
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# Susanne Billig 2024-03-21 12:41
Gerne möchte ich ergänzen, dass die Sangha unter dem Regenbogen eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) ist.
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