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Achtsamkeit & Meditation

Die Wohlfühlecke im eigenen Haus kommt ohne Buddha-Statue nicht aus. Kommerz und Kitsch statt Achtsamkeit und Meditation?

Buddha ist „in“, Buddha ist cool. In vielen, auch durchaus bodenständigen Haushalten stehen Statuetten von ihm, mal im aufrechten, mal im liegenden Zustand, mal im Lotussitz. Er zeigt seinen unergründlichen Gesichtsausdruck, ist dick oder dünn, lacht, winkt, streckt die Arme in die Höhe – je nach Geschmack. Es gibt Poster, Klangschalen, Wandbilder, Armbänder, Anhänger und Halsketten und eine unendliche Fülle an Meditationsmusik und -anleitungen sowie buddhistisch angehauchte Lebensratgeberliteratur bis hin zu Kalendersprüchen. Auch Artikel mit wenig Sachbezug sowie Kissen und Hundematten, Butterdosen, Kräutertees oder Feuchtigkeitscremes tragen entsprechende Motive. Na klar, wenn der Produktzug einmal ins Rollen kommt, ist kein Halten mehr. Der Esoterikmarkt macht bekanntlich Milliardenumsätze.

In anderen Weltgegenden wird diese Vermarktung beziehungsweise deren Auswüchse nicht ganz so locker genommen wie bei uns: So ist es in Indonesien schon vor über zehn Jahren zu Protesten gegen das weltweite Franchise Buddha-Bar sowie auf Bali gegen den Verkauf von Devotionalien gekommen. Aufrufe gegen einschlägiges Dekor werden auch von Thailand berichtet: Wenn der Kopf des Erleuchteten als Lichtquelle, Duftlampe oder Blumentopf herhält, hört für manche Thais der Spaß auf. In Thailand, Sri Lanka oder Burma sollte man sich auch nicht unbedingt mit einem Buddha-Tattoo am Oberarm blicken lassen: Das könnte nämlich zu einer Gefängnisstrafe führen.

Wie auch immer, Buddha ist – ähnlich wie Jesus Christ Superstar – ein Star, der über 2.500 Jahre hinweg noch große Strahlkraft besitzt. Das allein ist verblüffend. Von welcher anderen historischen Persönlichkeit kann man das über einen derart langen Zeitraum behaupten? Und da wir nun einmal in einer Konsumkultur leben, fügt sich dieser Umstand auch gut in sie ein. Was ist an alldem auszusetzen? Im Grunde gar nichts. Der Erwachte im Garten, Wohn- oder Badezimmer ist so etwas wie der Herrgottswinkel in früheren bäuerlichen Haushalten: Er kann, wenn man ihn nur anblickt, Impulse von Besinnung, Trost und Zuversicht in dieser rastlosen Welt geben. Zudem ein vages Bedürfnis nach Transzendenz und Antworten befriedigen – das allein sind Werte an sich. Wer daher als Erwachsener den Drang verspürt, im Ausmalbuch Mandalas und heilige Figuren mit Buntstiften zu illustrieren oder angeleitete Meditationen mit dem eigenen Hund zu praktizieren, soll das ruhig tun.

Buddha

Konsum als Erscheinungsform von Tanha

Und doch sind leise Vorbehalte angebracht. Denn Konsum- und Kaufimpulse sind nichts anderes als Erscheinungsformen von Tanha, des „Durstes“, der Gier, jenes unablässig sich erneuernden Gängelbands des „Ich will“, das uns unser ganzes Leben hindurch vorwärtstreibt. Wir versuchen, im Kaufrausch den Illusionsschleier, der die Wirklichkeit verhüllt, zu zerrreißen. Aber gerade dadurch tun sich neue Schleier auf. Siddharta Gautama, der Buddha, hat es wieder und wieder verkündet, beispielhaft hier: „Nicht aber verkündige ich euch, ihr Mönche, ein Zuendekommen des Leids für jene Menschen, die durch das Nichtwissen gehindert, durch den Durst nach dem Leben gefesselt dahineilen, von Dasein zu Dasein getrieben.“ (Samyutta-Nikaya 22, 99)

Tanha, eine der Ursachen von Dukkha, oft als Leid übersetzt, passt geradezu perfekt in unsere moderne Konsumwelt, die nach dem Schema Schaffung und Befriedigung von Bedürfnissen funktioniert. Es ist daher nicht ohne Ironie, dass die Käufer „buddhistischer“ Produkte dadurch das genaue Gegenteil dessen tun, was der Lehre zufolge – unter anderem – angestrebt wird, nämlich die Befreiung vom anhaftenden „Upadana“.

Der große Hype

Nun ist ja das Schöne am Buddhismus, dass man so gut wie gar nichts braucht, um ihn zu praktizieren. Das ist ähnlich wie beim Yoga, um das herum sich ebenfalls eine globale Industrie gebildet hat: eine Matte, ein Meditationskissen und die Schriften. Wer will, schließt sich einem Sangha an, einer buddhistischen Gruppe. Was man in der Meditation übt, nämlich das Nichtanhaften an und das Loslassen von Gedanken, Empfindungen und Willensäußerungen, lässt sich wunderbar auch auf den nächsten Konsumimpuls anwenden: Man sieht ihm dabei zu, wie er aufkommt und „triggert“ – und springt einfach nicht darauf an. Und siehe da, er ebbt ganz von allein ab und läuft sich tot. 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"

UW120


Man ist also, wenn es gelingt, ein Besucher in der Werkstatt des eigenen Geists und guckt ihm bei der Arbeit zu. Man ist bewusst und achtsam. Aber was, wenn gerade die Achtsamkeit „Samma Sati“, das siebente Glied im achtfachen Pfad, zu einem riesigen kommerziellen Erfolg wird? Genau das ist passiert. Mindfulness ist wohl der größte Hype, der in den letzten Jahrzehnten im Dunstkreis des Buddhismus entstanden ist. Dabei nutzen die Übenden Techniken der Achtsamkeitsmeditation, um Stress zu reduzieren, besser mit Krankheiten, Schmerzen und Ängsten umzugehen und ihr Immunsystem zu stärken. Ein vor allem von Jon Kabat-Zinn verbreiteter lobenswerter Ansatz – der freilich seiner spirituellen Inhalte entkernt ist. In einer zweiten Phase ist die Mindfulness-Welle dann in die Berufswelt übergeschwappt, mit Achtsamkeitskursen und -büchern fürs Management, für Führungskräfte und sogar fürs Militär. Es geht um Selbstoptimierung in einer kompetitiven Welt, der ein Quäntchen Esoterik-Geklingel „im Hier und Jetzt ankommen“, „tief ein- und ausatmen“ unterlegt wird.

Alles halb so schlimm, meinte Thich Nhat Hanh, solange die Achtsamkeit nur richtig praktiziert werde: „Denn wenn das der Fall ist, dann erkennt ihr in ihr und über sie auch die übrigen sieben Elemente des edlen achtfachen Pfads.“ Nicht auszuschließen, dass es dem einen oder anderen Teilnehmer eines Mindful-Leadership-Workshops dieses unvermutete Hintertürchen einen Spalt weit geöffnet hat.

Bild Teaser & Header © Unsplash

illustration im Text © Francesco

Harald Sager

Harald Sager

Mag. Harald Sager studierte an der Universität Wien und schreibt seit gut zwanzig Jahren vornehmlich im Lifestyle-Bereich. Aktuelle Schwerpunkte sind Reiseberichte für nationale und internationale Blätter sowie Design und spirituelle/yogische Themen.  
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