Trübe Frühlingstage sind ja für allerlei gut. Der Garten braucht den Regen, der Haushalt eine Runde Sauberkeit und ich eine solchige auf dem Sofa. Auch wenn es Mitte der Woche ist. Auch wenn andere Menschen währenddessen arbeiten. Auch wenn Garten und Haushalt betreut werden müssten. Eine Lektion in Sanftheit.
Es ist einer dieser Tage, die schon deshalb glücklich machen, weil man keinen Termin hat. Nicht, dass ich ein Einsiedlerdasein führen würde – im Gegenteil. Ich bin viel unterwegs (das Hotel in Berlin war sehr komfortabel, muss ich zugeben!), freue mich an meinen geplanten und ungeplanten sozialen Kontakten sowie den daraus entstehenden Unternehmungen. Die Lücken in meinem Leben, die ich vor über zwei Jahren befürchtet hatte, haben sich nicht nur aufs Angenehmste gefüllt. Sie haben mich auch gelehrt, keine Angst mehr davor zu haben.
Nun gibt es ja Menschen, die sich tatsächlich davor fürchten, wenn sie eine blanke Seite in ihrem Terminplaner sehen. Huch, man wird nicht gebraucht! Huch, Langeweile! Huch, man hat mich vergessen! So was in der Art. Kenne ich nicht. Kannte ich noch nie. Langeweile – was ist das? Im Gegenteil. Ich wäre dankbar für eine Stundenspende, die mir meine 24 Stunden verlängern könnte. Weil ich so vieles spannend finde, immer etwas zu werkeln und zu überlegen und zu verfolgen habe. Was unsere Welt an Buntheit bietet, finde ich ganz großartig und gerne nehme ich immer wieder die Witterung auf.
Heute schien so ein Tag ohne Witterung zu sein – zumindest keiner, die von außen kam. Und auch das fand ich ganz großartig. Nur daheim herumkruschen, liegen gebliebene Dinge abarbeiten, Telefonate erledigen, Körperkost kochen und in dem EINEN halbstündigen Sonnenfenster meinen Marschiergang machen. Dabei holte ich mir dann auch meine Ration Sargnägel – und schon war es vorbei mit der witterungslosen Zeit. Denn meine Trafikantin hatte einen Berg Magazine für mich auf die Seite gelegt, und falls ich es noch nicht erwähnt habe: ICH LIEBE MAGAZINE. Nicht solche, die uns Frauen wegen Schenkelschande und Beulenpest geißeln, sondern richtig gut gemachte, die das Leben von der konstruktiven, wahlweise intellektuellen Seite beschreiben. Perfekt sind solche, die beides vereinen.
Ich sammle Gutgeschriebenes. Bücher, Magazine, Zeitungen. Eine Wochenzeitung habe ich seit einigen Jahren abonniert. Für eine Ausgabe brauche ich wirklich fast eine Woche, weil es die Schreiberlinge schaffen, mich auch für Themen zu begeistern, die mir andernorts nur ein Gähnen entlocken. Das Problem ist: Nicht immer finde ich die Zeit dafür, konsequent die aktuelle Ausgabe zu lesen. Das führte kürzlich dazu, dass ich ein neues Regal aufstellte, in dem jetzt nur diese speziellen Zeitungen gelagert sind. Die älteste Ausgabe ist aus dem Jahr 2014. Ähnliche Zustände herrschen in einem anderen Regal, wo die Magazine – fein säuberlich sortiert – ebenfalls auf trübe Tage warten. Und zwei Kübel, die inzwischen schon kleinen Pyramiden gleichen, sind nur einem einzigen Hefttitel gewidmet, von dem ich mir vorgenommen habe, dass er die Freude meiner Pension wird.
Immer wieder bekomme ich die Anregung, das alles doch der Papiertonne zu übereignen, denn ich könnte das sowieso nie mehr lesen. Außerdem: Was ich nicht wüsste, machte mich nicht heiß. Und überhaupt würde mich das tote Material sowieso nur belasten. Also energetisch gesehen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Ich schaue auf meine zwei Regale und empfinde so viel Vorfreude auf den (trüben) Tag, wo ich das alles lesen kann. Wo ich mich auf die Couch – wahlweise ins Gras oder in die Hängematte – legen und jedes mir geschenkte Thema aufsaugen kann. In meinen Regalen harren Welten auf mich, von denen ich jetzt noch gar nichts weiß. Und da habe ich mich noch gar nicht nach meinem Bücherregal umgedreht. Sagte ich schon, dass ich leidenschaftlich gerne lese?
Trübe Tage bergen also diesen Traum in sich, endlich Zeit für diese Welten zu haben. Und wenn mein innerer Kobold lästert, dass ich doch nicht lesen könne, während andere schwer daran arbeiten, ihre Existenz zu sichern, verweise ich auf ‚Recherche‘ und lege ihn auf sein Ruhekissen. Er bäumt sich auf und zeigt auf die voll geräumte Küche, richtet seinen Blick auf Tüten mit Dahlienknollen, die dringend in die Erde sollten. Nach meinem energischen „Stopp!“ ergibt er sich in die Weichheit des Polsters und ich setze mich auf das Sofa. Die Katze folgt und im Radio läuft eine Sendung über Yoga. Die Begleitmusik führt unmittelbar dazu, dass ich mich entspanne. Ich strecke meine Beine aus, die Katze die ihren auch, zu den indischen Klängen gesellt sich ihr Schnurren. Dass sie von mir runtergestiegen ist, den Teller leer gefressen und woanders weitergeschlafen hat, ist mir erst eine Stunde später aufgefallen. Der Lesestoff muss wohl noch weiter warten. Der Traum geht weiter!