Diese Woche durfte ich mich – im Rahmen meiner Erwerbsschreiberei – mit dem Thema Alter beschäftigen. Bekommen habe ich diesen Auftrag von einem Kollegen an dessen Geburtstag. Er meinte, das fühle sich komisch an, und dabei ist er noch nicht einmal fünfzig. An das Komische wird er sich gewöhnen müssen.
Einer meiner Interviewpartner erzählte mir, dass er in seiner Funktion als Professor gefragt worden war, was man denn gegen das Altern tun könne. Er musste seine Ausführungen aussetzen, weil ich vor Lachen keine Luft mehr bekam. Das ist so, als wollte man Schneeflocken zurück in die Wolke stecken, wahlweise den Rauch zurück in die Zigarette blasen oder ein Baby zurück in den Bauch schieben. Geht nicht. Ganz einfach.
Denken Menschen manchmal, bevor sie fragen? Ich bin ja grundsätzlich der Meinung, dass jede Frage erlaubt ist. Es soll ja Leute geben, die sich bereits über Fragen echauffieren, ich nicht. Das Gegenüber hat einen Grund, warum es fragt. Ob es eine Antwort verdient, ist wieder eine andere Sache. Doch nachdem ich keine Information darüber bekam, ob der Professor von einem Kind gefragt wurde (denen ich bekanntlich über die Maßen viel zugestehe), gehe ich von einer „erwachsenen“ Fragestellung aus. Und kann nicht aufhören, den Kopf zu schütteln.
Dort befinden sich ja bekanntlich schon eine erkleckliche Zahl von weißen Haaren. Und viele Menschen gehen davon aus, dass damit das Alter beginnt. Jetzt kenne ich beispielsweise zwei junge Frauen, die auch schon das eine oder andere weiße Haar an sich entdeckt haben – und trotzdem noch jung sind. Und nachdem ich ja auch keine 51, sondern gefühlte 30 bin, nehme ich die Salz- und Pfeffermischung als eine wunderbare Laune der Natur. Und als Zeichen meines fortgeschrittenen Alters. Ja, man beginnt in diesem Alter, die Natur zu (be-)achten. Vor allem jetzt im Herbst, wenn sie uns vormacht, dass die Sonnenblume eben irgendwann einmal den Kopf hängen lässt, die Äpfel geerntet werden wollen und der Nussbaum seine Blätter abwirft. Wir sind Teil dieser Natur, so what?
Mein Hausarzt meinte, die verkalkte Achilles-Sehne sei eine Alterserscheinung, mein Stosswellen-Therapeut hat ihm nicht widersprochen, obwohl er mich ohne Qualen wieder hinkriegen will, wie er mir versicherte, nachdem er mein Ernsthaftigkeitsmail gelesen hat. Um ihm und mir ein Erfolgserlebnis zu schenken, rauche ich jetzt weniger – manchmal zumindest. Denn auch das mit dem Rauchen soll ja nicht gerade förderlich sein für das Alter. Nicht nur wegen der Achilles-Sehne, die deswegen anscheinend zu wenig durchblutet wird, sondern auch wegen der Haut. Mein Physio-Guru meinte zwar, dass er schon welkere 51jährige unter seinen Händen hatte, aber schmieren schadet nie. Das tue ich übrigens schon seit meinem 35. Lebensjahr. Man kann mit Anti-Aging-Cremes und Q10 schließlich nie früh genug anfangen. In diesem Alter habe ich auch Magazine für die Frau jenseits der 40 gelesen, um mich vorzubereiten. Ja, manchmal bin ich ein Kontroll-Freak.
Womit ich beim Thema bin, das mich in diesem Zusammenhang umtreibt. Wenn man etwas in diesem Alter lernen sollte, dann das: Man kann nur einen Teil seines Daseins kontrollieren. Und der körperliche Verfall gehört – früher oder später – einfach dazu. Ich kann Gesichtsyoga machen, jeden Tag zehn Kilometer radeln und mich ausschließlich von Dingen ernähren, die von den Bäumen oder Sträuchern fallen. Und trotzdem werde ich irgendwann einmal als Aschewölkchen über dem Atlantik enden. Wer es weniger maritim mag, endet in gusseisernen Gefäßen oder Holzanzügen. Aber enden werden wir alle.
Es geht um die Einstellung zum Altern, sagt der Professor, zum Umgang damit. Natürlich, möchte ich in den Telefonhörer schreien, unterlasse es dann aber, denn ich will ja nicht, dass der gute Mann am anderen Ende der Leitung unsinnige Fragen nur mehr mit dem Hörapparat aufnehmen kann. Es geht darum, dass man im besten Fall mehr Verständnis für Menschen und Zusammenhänge aufbringt. Dass man bemerkt, wie Dinge, Menschen, Situationen in Verbindung zueinander stehen. Dass man seine Erfahrungen nutzt – für sich und andere, wenn sie denn wollen. Vieles wird dadurch einfacher, wie ich finde. Und dadurch entsteht auch eine innere Ruhe, weil man entscheiden kann, was man muss und was man lässt.
Lernen geht immer. Lachen auch. Lieben sowieso. Meine Oma hatte ihre drei Dinge, nach denen sie ihr Leben ausgerichtet hat. Die drei sind meine. Meine Oma war konkreter, ich mag es abstrakter. Weil viel mehr Platz hat in Lernen-Lachen-Lieben. Und das Gute daran: Es kostet nichts. Doch das ist meiner Meinung nach eine Erkenntnis des Alterns. In jüngeren Jahren tickt man oft nach dem Motto „Mein Haus, mein Pferd, mein Segelboot“. Doch irgendwann hat man das alles, und dann? Ab 60 denkt der Mensch nach innen, sagt der Professor. Ich denke: Je früher, desto besser.