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Mein linkes Ohr fühlt sich immer noch ziemlich taub an. Und obwohl mich das manchmal mehr als irritiert, gibt es doch Momente, wo ich manches wirklich nicht hören möchte. Wie kürzlich in einer Kirche.

Dass ich körperliche Unwohlheiten gerne unorthodox sehe, ist inzwischen ja bekannt. Doch da dieses Feld ziemlich umfangreich ist, geht schon noch ein bissl was. Mudras zum Beispiel. Wer das nicht kennt: Man hält die Hände und Finger in verschiedenen Positionen und kann damit zum Wohlbefinden beitragen. Dabei steht jeder Finger für ein bestimmtes Element, ein bestimmtes Chakra, hat spezifische körperliche und emotionale Zuweisungen. Wenn ich also um Gehör ringe, dann sollte ich mich um meinen Mittelfinger kümmern. Und nein, ihn allein in die Höhe zu strecken, erleichtert die Sache mitnichten. Denn Kommunikation (für die steht dieser Finger nämlich unter anderem) wird höchstens aufgeladener, wenn der Stinkefinger ins Spiel kommt.

Für mich und mein Gehör ist die Stille-der-Leere-Geste empfehlenswert. Dabei biege ich den Mittelfinger bis zum Daumenballen und lege dann den Daumen darüber. In dieser Stellung soll ich dann dreimal täglich vier bis fünf Minuten bleiben. Das Ziel: den inneren Frieden, die Selbstentfaltung und die Kreativität zu steigern. Und konkret die Taubheit des Ohres zu lindern. Zusätzlich zu Nasentropfen und sonstigen Medikamenten kann das ja nicht schaden. Die Zuordnung, was bei einer Gesundung nun geholfen hat, wird zwar schwer, aber im Zweifelsfall hat es eben AUCH genützt. Wir werden sehen.

Auf jeden Fall wird flankierend zur Fingergymnastik empfohlen, jeden Tag mindestens eine Stunde lang nichts zu tun. Nichts wie nicht lesen, nicht sprechen, nicht Musik hören. Auf diese Art und Weise können 60 Minuten ziemlich lang werden. Gut, man kann schlafen. Oder essen. Was ich heute getan habe, weil das laut Anweisung ja nicht verboten war. Davor und danach die Mudras absolviert, ein wenig die Katze gestreichelt und den Wolken zugeschaut, wie sie die Sonne zugedeckt haben. Nachgedacht. Dem Rauschen im Ohr nachgehangen. Nachgedacht. Dem Rauschen im Ohr nachgehangen. Den Rest können Sie sich denken.

Zwischen zwei Nachmittagsterminen hatte ich eine halbe Stunde frei, weshalb ich mich entschloss, auch noch den Beistand von oben zu erbitten. Ein von mir geschätzter Priester hat einmal empfohlen, dass man alles, was man selbst nicht richten kann, einfach auf den Altar legen und den Schöpfer bitten soll, sich darum zu kümmern. Ich also rauf auf den Hügel, rein in die Kirche und erleichtert, dass ich eine von nur vieren war, die sich dort eingefunden hatten. Tut gut zu wissen, dass alle anderen mit ihren Angelegenheiten selbst zurande kommen. Auch wenn mein derzeitiges Leben etwas komplett Unterschiedliches spiegelt. Aber das ist eine andere Geschichte. Gut. Ich versuchte mich also in der Kirchenbank einzurichten, was mir immer schwerfällt, weil ich nie weiß, ob ich sitzen oder knien oder sitzknien soll. Dass Jugendliche der Kirche fernbleiben, weil ihnen laut einer Umfrage die Kirchenbänke zu unbequem sind, kann ich voll umfänglich nachvollziehen. Andererseits ist das Haus Gottes auch keine Chill-Lounge, sondern ein Ort der Einkehr. Ein Ort der Stille – jenseits der Gottesdienste. Möchte man meinen. Also ich auf jeden Fall. Doch was passiert? Einer hatte vergessen, sein Handy auszuschalten. Wie ich seit dem vergangenen Sommer weiß, kann das passieren. Doch wenn es passiert, drückt man auf den Ausschaltknopf und bleibt für den Rest der Zeit unerreichbar. Zumindest ist das in meiner Welt so. Doch auch am heutigen Tag wurde ich das Gefühl nicht los, mich in einem Paralleluniversum zu bewegen. Denn der gute Mann dachte nicht im Traum daran, sein Mobiltelefon auszuschalten, sondern nahm den Anruf entgegen und telefonierte lustig locker in der Kirche drauflos. Hallo! Habe ich da etwas verpasst in puncto Benimmregeln? Alles auf Anfang, alles neu? Muss ich mich darauf einstellen, dass ich demnächst bei meinem vierten Antreten als Firmpatin erleben werde, dass der Pfarrer zwischen Predigt und Wandlung irgendwem telefonisch die Beichte abnimmt? Inzwischen halte ich fast alles für möglich.

Und so saß ich also in der Kirchenbank, versuchte zu meinen Anliegen bezüglich meiner Freunde zu finden und mich darauf zu konzentrieren. Und merkte plötzlich, wie sich meine Mittelfinger regten. Nein, nicht zum Mudra. Ich habe sie auf die jeweils gegenläufigen Kopfbeine klopfen lassen und damit verhindert, dass sie sich ausstrecken. Es gibt einfach Dinge, die man in der Kirche nicht tut. Richtig? Oder werde ich langsam alt?

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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