Ich bin seit neuestem in einer Beziehung. Nicht, dass ich das angestrebt hätte – ich habe das noch nicht einmal gemerkt. Und trotzdem finde ich es interessant, wie es dazu kommen konnte. Ein Erklärungsversuch.
Noch ziemlich lebhaft erinnere ich mich an den Beginn der Dating-Phase meiner Kinder. Zum einen stellte ich fest, dass sich Liebeskummer in Zeiten von Social Media und anderen technischen Finessen keinesfalls verändert hatte. Abgesehen davon, dass ich die Kids natürlich nur schwer leiden sehen konnte, hat es mich doch erleichtert, dass sich manche Dinge trotz allem nicht ändern. Andererseits konnte ich beobachten, dass es hauptsächlich die Mädchen waren, die bestimmten, ob man(n) in einer Beziehung ist. Ich fand das damals ziemlich eigenartig, denn in meiner Welt war das eine gemeinsame Entscheidung, die man aufgrund von übereinstimmender Vorlieben, ergänzender Eigenschaften oder einfach aus dem Bauch heraus traf.
Anscheinend hatte sich in Liebesdingen dann doch etwas geändert. Ich nahm das hin, denn abgesehen von meinem Kampfmutter-Dasein, allen den Weisel zu geben, die meine Kids verletzten, empfand ich damals nicht die Notwendigkeit, mich mit den veränderten Verhältnissen zu befassen. Doch mit der Trennung von meinem jetzigen Ex gewann das Thema wieder an Bedeutung – in meinem eigenen Leben. Und aus der heutigen Sicht möchte ich hinterher rufen: „Musste das sein?“
Ich war ja nie eine Freundin des Online-Datings, denn ich habe es gerne, wenn ich weiß, was ich kriege. Also nicht, dass es eine g'mahte Wiese wäre, jemanden in natura kennenzulernen. Doch von Angesicht zu Angesicht lassen sich für mich wichtige Dinge doch recht schnell erfassen. Beispielsweise der Geruch – ob ein Mann nach Schweiß oder Sandelholz riecht, macht für mich doch einen Unterschied aus. Auch ob er warme oder kalte Hände hat. Oder wie er mich ansieht. Webcams decken letzteres nämlich nur unzureichend ab, habe ich erfahren. Eine Freundin hat sich jetzt für mehrere hundert Euro bei einer Dating-Plattform angemeldet, „weil ich mir ja sonst nichts gönne.“ Nicht dass ich es ihr gesagt hätte, aber mit dieser Summe fahre ich lieber in die Sonne.
Oder vielleicht doch nicht? Denn genau dort hat sich mein jetziger „Beziehungsstatus“ ergeben. Wo genau ich da von meinem freiheitsliebenden Weg abgebogen bin, kann ich nicht genau sagen. Möglicherweise eine Abzweigung zu spät. Vor lauter Übermut und Vitamin D kann man schon mal etwas übersehen. Doch nichts, wo man nicht innehalten, nachdenken und anders entscheiden könnte. Das habe ich getan – zumindest in meiner Welt. Aber da ich ja bekanntlich in einer Pippi Langstrumpf-Welt lebe, scheint diese Botschaft nicht ganz angekommen zu sein. Also hat mir ein Mann vor einigen Tagen mitgeteilt, dass er eine Beziehung zu mir hat. Und aus der Verwunderung heraus entstand dann bald der Umkehrschluss, dass ich ja dann praktisch auch in einer Beziehung zu ihm sein müsste. Bloß: Das habe ich nicht gemerkt. Nette Gespräche und Begegnungen innerhalb von wenigen Wochen reichen für mich nämlich noch lange nicht.
Vielleicht weil ich von einer Beziehung bestimmte Vorstellungen habe. Verlässlichkeit, Anteilnahme, Offenheit zum Beispiel. Mit sich im Reinen sein, wäre auch eine hübsche Eigenschaft, die mir an einem Mann gefällt. Dass er weiß, was er will – nicht nur von mir, sondern vom Leben im allgemeinen. Spiritualität würde mir gefallen, aber eine die fließt und nicht erstarrt ob eines Schwarz-Weiß-Schemas. Und wenn ich das alles so vor mir ausbreite während des Schreibens, stelle ich fest, dass ich meinen Kindern etwas vorleben sollte. Nämlich nicht zu akzeptieren, wenn jemand anderer beschließt, eine Beziehung zu haben, sondern für sich selbst zu entscheiden, mit wem man sich verbinden möchte. Und das so lange namenlos zu lassen, bis das Herz „ja“ sagt – und zwar auf beiden Seiten. Von allem anderen bekomme ich Zustände. Und keine guten, wie meine Psychohygienikerin stets zu sagen pflegt.