Ob es mit dem Herbst zu tun hat, an dem man erntet, oder einfach am Lauf der Dinge – ich weiß nicht, warum sich gerade jetzt der Wandel zu manifestieren beginnt.
Geneigte Leser und Leserinnen meines Blogs werden bestimmt schon gemerkt haben, dass ich eine leidenschaftliche Raucherin bin. Ich weiß, das ist inzwischen weit weg von dem ursprünglichen Hauch des Bohemians, und gerade das hat meine Bockigkeit in den letzten Jahren zusätzlich zur Leidenschaft befeuert. Jetzt brenne ich gerade sehr, denn am 1. November wird sich grundlegend etwas an meinem Leben ändern. Weil man mich endgültig auf die Straße schickt, wenn ich eine Fluppe rauchen will – diese Bezeichnung von einer Freundin finde ich wirklich eleganter als das hierzulande gebräuchliche „Tschick“.
Ich will mich jetzt gar nicht über Sinn und Unsinn des neuen Gesetzes auslassen – Sie können sich ohnehin denken, wie ich dazu stehe. Doch was mich wirklich umtreibt, ist, dass ich nicht mehr vollumfänglich meine Zeit in einer Umgebung verbringen kann, die mich vollumfänglich so nimmt, wie ich bin. Als Raucherin. Der Gastronom meines Vertrauens ist auch schon etwas unrund, weil seine Klientel zu einem Großteil aus Rauchern besteht und er nicht weiß, ob er künftig auf der Straße bedienen muss oder eben dieser Großteil ganz wegbleibt. Wie auch immer: Ich fühle mich in meiner persönlichen Freiheit eingeschränkt, und Freiheit ist ein Riesenthema für mich. Am Wochenende habe ich in Frankfurt erlebt, wie man es auch machen kann. Nämlich an die Tür ein Schild pappen, das 18-Jährigen den Eintritt versperrt. Weil: Wer volljährig ist, kann selbst über sein Leben entscheiden. Denk‘ ich mir halt so in meiner Pippi-Langstrumpf-Welt.
Eine Freundin meinte, man werde sich daran gewöhnen. Bestimmt. Und falls nicht, bleibe ich eben zu Hause. Jetzt könnte ich das Positive daran sehen und jubeln, weil mir das tatsächlich die freien Abende beschert, die ich immer wieder bemängle. Doch manchmal brauche eben auch ich den sozialen Austausch, und zwar den unbeabsichtigten, der sich ergibt, weil man auf engem Raum nebeneinander steht und irgendwie ins Gespräch kommt. Werde ich die Geschichten vermissen, die sich um Selbstmorde, Liebeskummer, Energieraub, Gedichte und sonstige Begehrlichkeiten drehen? Ja! Ich könnte Romane lesen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, doch mit Stimme, Augen und Mimik sind diese Geschichten dann doch intensiver.
Zwangsläufig muss ich mich also dem Wandel hingeben. Vor einigen Jahren, als dieses Gesetz schon im Raum stand, habe ich laut von mir gegeben, dass ich bis dahin einen Ort gefunden haben werde, an den ich auswandern kann. Doch trotz intensiver Suche habe ich diesen bislang nicht gefunden. Was einer Schicksalsgläubigen wie mir nur eines zeigen kann: Du bleibst zu Hause und adaptierst dein Leben. In welche Richtung, weiß ich noch nicht. Aber ein erzwungener Wandel ergibt keinen Spaß.
Ein weiteres Zeichen dafür, dass sich in meinem Leben selbstbestimmt etwas ändert, ist der Entschluss, KEINEN Roman zu schreiben. Also abgesehen von dem einen, der seit Monaten in der Rohfassung auf meinen Laptop schlummert. Ich habe eingesehen, dass meine Motivation, das zu tun, die falsche ist. Auf den Trichter gebracht hat mich Eckhart Tolle, der in einem seiner Vorträge zu bedenken gab, dass wir eine Sache nicht durchziehen können, solange das Ego beteiligt ist. Und ich gestehe: Beim Verfassen der Rohfassung war mein Ego ganz massiv involviert. Insofern musste ich mir eingestehen, dass ich aus den falschen Gründen viel Zeit investiert habe, in denen ich vielleicht schlafen, spazieren gehen oder lesen hätte können. Eine andere Freundin meinte, dass sich durch diese Entscheidung eine Lücke auftun würde in meinem Leben. Ja, endlich!
Und nein, ich werde sie nicht gleich wieder stopfen lassen. Das zählt auch zu den Entschlüssen, die ich in der Frankfurter Raucherkneipe getroffen habe. Ich bin die Königin meiner Zeit. Und selbst wenn Begehrlichkeiten von außen auftreten, muss ich ihnen nicht nachgeben – bei aller Liebe zum Socializing. Ich kann gut alleine sein, konnte es immer, weil ich Langeweile einfach nicht kenne. Es gibt immer etwas zu tun, zu denken, zu erledigen. Und ich bekomme mehr und mehr Lust darauf, mich um mein nächstes Umfeld zu kümmern. Spinnweben entfernen, Badezimmerboden wischen, Laub eintüten – solche Sachen. Werde ich dadurch spießig? Vielleicht, aber who cares?
Meinungsstabilität finde ich inzwischen auch überbewertet. Hatte ich im Frühsommer noch beschlossen, den Jahreswechsel dieses Mal in der Heimat zu verbringen, bin ich jetzt schon wieder fleißig auf Reiseplattformen unterwegs, um einen sandigen Platz für meine Füße zu finden. Vielleicht hängt es mit den sinkenden Temperaturen zusammen, vielleicht mit der aufkeimenden Sehnsucht, einfach beim Blick auf ein Meer das Jahr zu bilanzieren. Und mich darauf zu freuen, welche Manifestationen des Wandels 2020 auf mich zukommen werden. Es flutscht noch nicht wunschgemäß, was mich misstrauisch macht. Doch ich bleibe optimistisch, dass im richtigen Moment das richtige Angebot reinflattern wird. Ich bleibe neugierig, bleiben Sie es auch!