Wir Frauen verlieren oft nur allzu leicht den Fokus darauf, was uns ausmacht. Und wenn es dann hart auf hart kommt, fällt er uns erst recht nicht mehr ein.
Folgende Situation: Eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern hat einen kranken Mann, der in einer Heilstätte untergebracht ist. Sie arbeitet dreimal die Woche, die Kinder sind zwar in Betreuungsstätten aufgehoben, aber eben nicht so lange, dass nicht ein gewisses Zeitmanagement nötig wäre. Die Großmütter sind zwar eingebunden, aber eben auch nicht mehr unbedingt in vollem Saft. Der Mann ist naturgemäß keine Hilfe, sondern erlegt seiner Frau auch noch auf, seine Krankheit zu verschweigen.
In so einem Fall träume ich von einer idealen Frauenwelt. In der setzen sich alle weiblichen Kräfte im Umfeld dieser jungen Frau zusammen – die Omas, die Freundinnen, vielleicht sogar die Freundinnen der Omas und tun vor allem eines: die junge Frau stärken. Sie einnorden auf das, was zählt. Nämlich genau nicht darauf, sich Gedanken um den kranken Mann zu machen, der ohnehin in den besten medizinischen Händen ist, sondern sich ganz auf ihre persönliche Situation zu fokussieren. Weibliches Krisenmanagement eben.
Da übernimmt eine das Kochen, eine das Abholen oder Bringen der Kleinen vom und zum Kindergarten, eine andere das Waschen und alle miteinander das Zuhören. Denn das ist für Frauen in Krisen am allerwichtigsten. Die, die am reinlichsten ist, kann einmal durchsaugen; eine andere füllt den Kühlschrank. So stelle ich mir die Aufteilung in einem Weiberstamm vor. Doch was passiert tatsächlich?
Die junge Frau fühlt sich alleine gelassen und will nicht darüber reden. Die Großmütter sind völlig überlastet, weil sie eben auch schon fortgeschrittenen Semesters sind, vielleicht körperlich nur beschränkt beweglich und/oder immobil und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, die ja in manchen ländlichen Gegenden wirklich zum Heulen selten aufkreuzen. Es gibt welche, die sagen, sie hätte sich um ihren Mann oder eigene Kinder zu kümmern. Natürlich muss man sich zuerst um die Grundsätzlichkeiten vor der eigenen Haustür kümmern, doch Notlagen sind ja meist so geartet, dass es nach einer absehbaren Zeit wieder einigermaßen normal weitergeht. Zum einen, weil die Not gelindert wird, zum anderen weil man eventuell lernt, mit der Not umzugehen oder sie irgendwie in die Weltsicht integriert. Insofern erfordern außergewöhnliche Situationen außergewöhnliche Vorgangsweisen.
Ich kenne Situationen wie diese persönlich, weil ich jahrelang in einer Lage war, die mich auch nicht darüber reden hat lassen. Weil ich es selbst schaffen, niemanden belasten, mir meine eigene Kraft beweisen wollte. Doch wirklich aus dieser Situation herausgekommen bin ich erst dann, als ich beschlossen hatte, mir Hilfe zu suchen. Dann ging es mit dem Reden, dann kam Unterstützung von außen, dann bewegte sich etwas. Wenn ich wie die dieser jungen Frau höre, möchte ich sie zuerst einmal in den Arm nehmen und ihr das Gefühl geben, dass sie nicht alleine ist. Dann möchte ich eine Stammessitzung einberufen, gerne auch mit Trommeln, Räucherzeug und bei Mondschein. Und dann, wenn alle auf derselben Ebene schwingen, die Aufgaben verteilen. Das stelle ich mir unter wahrer Frauenpower vor. Nicht die, die im Anzug in die Vorstandsetagen drängt, sondern die an der Basis weiß, was ihre Schwestern gerade brauchen. Danach kann immer noch Zeit und Kraft für das Unternehmenspenthouse sein, doch ohne die Wurzelarbeit bleibt alles eben ein Luftschloss. Das schnell verweht wird, wenn es nicht angebunden ist. Und dieses Angebundensein entsteht eben durch Verbundenheit. Mit uns selbst, unseren Mitweibern und dann mit dem Rest der Welt.
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