Wenn ich im vergangenen Jahr etwas gelernt habe, dann das: Man kann allerhand machen, von dem man nie geglaubt hätte, dass es klappt. In eine eigene Macht zu kommen, ist etwas Wunderbares.
Vor einiger Zeit habe ich gehört, dass ich Menschen das Gefühl gebe, sie unter Druck zu setzen. Das war einer dieser Momente, wo Selbstbild auf Fremdbild geclasht ist. In meiner Welt bin ich die toleranteste Person überhaupt, nehme jeden Menschen so, wie er ist oder sein möchte. Und unter Druck setze ich schon deshalb niemanden, weil ich das selbst nicht ausstehen kann. Man frage meine Mutter. Wie schon öfters an dieser Stelle angemerkt: Ich bin eine im Sternzeichen Stier Geborene, und das gilt als das am meisten fixierte von allen. Nicht im psychiatrischen Sinne, aber doch in seiner Erdung und – Achtung Euphemismus – Meinungsstabilität.
Diesen ruhenden Pol in mir kann nur eine kleine Nebensächlichkeit in Bewegung bringen: ein direkter oder indirekter Hilferuf. Mit einem „Das kann man doch nicht so lassen“ bin ich aufgewachsen, meine Mutter wittert sogar eine genetische Disposition bei mir. Eine Freundin nennt das „zu gut für diese Welt“, ich nenne es „mir das Paradies verdienen“, was mir von eben jener Freundin immer wieder die Frage einbringt, wie oft ich denn dort hineinwolle. Ich zucke dann meist mit den Schultern, denn schließlich kann ich nicht wissen, wie oft ich noch in die Geschehnisse dieser Welt geworfen werde. Also rein physisch gesehen. Ich baue lieber vor, man weiß ja nie.
Das mit dem Druck ließ mir keine Ruhe, weshalb ich wieder einmal Wurzelarbeit betrieben habe. Und etwas festgestellt habe, was bitter schmeckt. Nämlich, dass ich unbewusst machtbewusst bin. Oder zumindest so rüberkomme. Und das hat mit meiner Lösungsorientierung zu tun, mit dem „Das kann man doch nicht so lassen“. Wenn ich mitbekomme, dass jemand an sich, anderen oder der Welt generell leidet, springt meine Lösungsmaschinerie an. Und weil ich mir selbst schon so viele Lösungen erarbeiten musste, um aus den unterschiedlichen Leiden herauszusteigen, habe ich ein ziemliches Arsenal angesammelt. Nicht unbedingt für naturwissenschaftliche Probleme, da bin ich ja bekanntlich nackter als nackt. Doch alles, was i sozialen, gesundheitlichen oder sonstigen Zwischenbereichen angesiedelt ist, bringt mich und meinen Werkzeugkoffer, gepaart mit meiner Recherchebegabung auf Hochtouren. Da können Sie sich ruhig eine Dampflok vorstellen, die Fahrt aufnimmt. Und da wird schnell platt gefahren, was man eigentlich befördern möchte.
Das alles hängt weniger damit zusammen, dass ich jemanden manipulieren möchte – so wird Macht ja vielfach gedeutet. Es liegt mir einfach daran, das Leben eines anderen Menschen besser zu machen oder ihn zumindest dabei zu unterstützen. In den seltensten Fällen habe ich persönlich etwas davon – gut, wenn ich meine Eltern jemals dazu bringen sollte, mehrmals am Tag ohne mich zu lachen, würde mein Seelenheil davon profitieren, weil ich sie dann in guter Stimmung wüsste. Doch selbst das ist eine Bewertung meinerseits, die mir im Grunde nicht zusteht.
Ebenso wenig wie die Überfrachtung eines Gegenübers mit Lösungen für dessen Probleme. Und das ist mir ja schon bewusst, eigentlich seit einigen Jahren. Es ist ein ständiger Lernprozess, damit nicht hausieren zu gehen. Manchmal geht es besser, manchmal weniger gut. Doch wer mich schon lange kennt, weiß natürlich, dass diese Dampflok mit jeder Lebensbarriere, die sich anderen in den Weg stellt, einen Scheit Holz in den Kessel geworfen bekommt. Da kann ich noch so unbeteiligt schauen, maximal nicken und trotzdem schweigen.
Bitter an dem Ganzen ist für mich, dass ich an einem Verhalten gemessen werde, das ich zu ändern versuche. Weil ich gelernt habe, dass es niemandem schadet, wenn er oder sie um Hilfe bittet. Und tut er oder sie das nicht, wird er oder sie schon alleine damit zurechtkommen. Zuhören kann ich ja trotzdem, was vielfach eh schon hilft. Bitter ist auch, dass meine Lösungsideen als druckvoll empfunden werden, wo sie doch aus dem Geist der Entlastung geboren werden. Andererseits habe ich auch gelernt, dass es sehr erleichternd sein kann, jedes Holzscheit noch einmal in der Hand zu drehen und zu überlegen, ob der Kessel überhaupt dampfen soll. Denn mit einem „Du schaffst das schon, da bin ich ganz sicher“ tut man nämlich eines: Man stärkt das Gegenüber, schenkt Vertrauen und Zuversicht. Mit übermäßigem Lösungsbeschuss vermittelt man hingegen das Gefühl, dass es alleine nicht zurechtkommt. Und wirkt entgegen der Intention erst recht kontraproduktiv. Oder eben druckvoll.
Ich habe eine Freundin, die mir mehrmals und ausdrücklich die Erlaubnis gegeben hat, Lösungsmöglichkeiten zu produzieren, weil sie mir genau aus diesem Grund ihre Probleme anvertraut. Das nenne ich einen Auftrag. Ansonsten beschränke ich mein Machtbewusstsein inzwischen auf mein eigenes Leben und kann so viel gestalten, auch weil mein Kopf dafür frei ist. Die Zusammenarbeit mit Menschen meines „Stammes“ hilft dabei, in meiner Lösungskompetenz doch noch etwas Gutes zu sehen. Und mir klarzumachen, dass es nicht an mir liegt – auch andere können fixiert sein. Worauf auch immer.
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