Kennen Sie das? Sie müssten diese eine Aufgabe dringend erledigen, aber Sie verschieben sie auf morgen. Besser noch auf übermorgen. Das nennt man Prokrastination. Aufschieberitis.
Darüber will ich heute schreiben. Warum? Um zu prokrastinieren! Ich schiebe unter anderem diese Kolumne schon seit Tagen, nein Wochen, vor mir her. Wir prokrastinieren oft, weil uns die Aufgabe, die wir erledigen sollten, unangenehm ist. Das ist hier der Fall. Ich schreibe in meiner Kolumne über Dinge, die mich in jüngster Vergangenheit bewegt haben. Doch diesmal habe ich einfach keine Lust, mich näher mit ihnen zu beschäftigen.
Ich müsste über Dzongsar Jamyang Khyentse Rinpoche schreiben. Er ist einer der neuen Hauptlehrer bei Rigpa. Richtig, Rigpa ist die Gruppe, die seit 2017 mit Vorwürfen der Verschwendungssucht, Gewalt an Mitgliedern und sexuellem Missbrauch durch deren Gründer und damaligen Leiter, Sogyal Lakar, von sich reden machte. Dzongsar Khyentse meint bis heute, dass es sich dabei nur um Missverständnisse gehandelt habe. In einem aktuellen Interview durch das DBU-Organ „Buddhismus Aktuell“ wünscht er sich als neues Regierungssystem weltweit zudem eine „wohlwollende Diktatur“, statt demokratischer Systeme. Er findet es völlig in Ordnung, wenn Schülerinnen und Schülern von einem buddhistischen Meister körperliche Gewalt angetan oder sie vergewaltigt werden. Die betreffende Lehrer-Schüler-Beziehung müsse lediglich eine gewisse Beschaffenheit aufweisen: Der Schüler habe den Meister einer „intensiven Prüfung“ unterzogen und ihn als „Guru angenommen“. Dann ist, „was immer er [der Guru] tut“, völlig in Ordnung. Die Buddhisten bei Rigpa scheinen diese Ansicht zu teilen, sonst wäre Dzongsar Khyentse dort nicht Lehrer. Nichts gelernt, würde ich sagen.
Oder ich müsste über die neuesten Vorkommnisse um den 17. Karmapa Ogyen Trinley Dorje berichten. Der wurde lange als zweiter Mann nach dem Dalai Lama gesehen und als dessen Nachfolger gehandelt. Ogyen Trinley Dorje wird derzeit in Kanada von einer ehemaligen Nonne auf Unterhalt verklagt. Er habe sie sexuell missbraucht, heißt es. Daraus sei ein Kind hervorgegangen. Da die Frau nun nicht mehr Nonne sein kann, fordert sie Unterhalt für sich und das Kind. Das buddhistische Zentrum „Bodhicharya Berlin“, das unter der Schirmherrschaft dieses Karmapa steht, sah sich daraufhin veranlasst, einen Shitstorm gegen den Blogger, der dies berichtete, zu initiieren. Auf der Website von Bodhicharya heißt es: „Bodhicharya bedeutet ‚erwachte Aktivität‘ und ist Ermutigung und Leitlinie, Handlungen einzuüben, die in Mitgefühl und Weisheit wurzeln.“ Ja, so ein Shitstrom ist Ausdruck höchster Weisheit und größten Mitgefühls.
Dieser Blog erschien in der Ursache\Wirkung №. 117: „Meditation"
Ich bin es so unendlich leid, die Selbstdemontage des Buddhismus zu kommentieren. Ich möchte lieber etwas Positives schreiben. Da bleibt mir nur die Prokrastination.
Bild Header © Pixabay
Bild Teaser © Pixabay