Man sollte sich ja prinzipiell im Spiegel anlächeln, wie ich finde. Zum einen ist das gut für die Selbstliebe, zum anderen bringt man sich selbst damit meist so zum Lachen, dass die gute Laune von selbst kommt. Und manchmal fällt dabei auch die eine oder andere Erkenntnis ab.
Momentan stehen die sogenannten Spiegelgesetze auf meinem Reflexionsprogramm. Angefangen hat diese Beschäftigung mit dem Thema Erwartungen. Ist ja immer ein großes, vor allem für uns Frauen und da vor allem für jene, die immer noch hoffen, dass ihnen Wünsche und Träume von den geschlossenen Augen abgelesen werden. Dass man mit einfachen Botschaften schneller ans Ziel kommt, habe ich ja schon letzte Woche durchexerziert. Doch diese Woche will ich auf etwas anderes hinaus.
Das Spiegelgesetz behauptet mehr oder weniger, dass mich etwas an mir selbst stört, wenn es mich an einem anderen Menschen ärgert. Wenn ich mich beispielsweise darüber ärgere, dass mich jemand unfreundlich behandelt, spiegelt das meinen geheimen Wunsch, auch unfreundlich sein zu wollen oder dürfen. Heute habe ich genau das durchexerzieren dürfen. Und es hat eine Dusche gebraucht, um mich genau dorthin zu bringen. Ich arbeite mich seit Wochen an einer Kollegin ab, deren Kommunikationsverhalten ich schwer nachvollziehen kann. Das mag daran liegen, dass ich mir in den vergangenen Jahrzehnten der Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen einen freundlichen, ja humorvollen Umgang miteinander angewöhnen durfte. Und mich einfach nicht umgewöhnen will. Das soll ja bei einem Stier wie mir vorkommen, dieser Widerstand gegen Veränderung. Andererseits glaube ich aus vollem Herzen an die Freundlichkeit. Sie macht das Leben einfacher, schon alleine deshalb, weil man im anderen grundsätzlich einmal das Gute anerkennt und sieht. Da kommt erst gar kein Stress auf. Und es ist auch ein besseres Gefühl, wenn man sich selbst als wohlwollend erleben darf. Denn seien wir ehrlich: Mögen wir uns mit Zornfalten zwischen den Augenbrauen und einem Organ, das jenseits der ausbalancierten Stimmlage schwebt? Nein. Wir denken dann immer, dass uns der andere aus dem Gleichgewicht bringt, dabei tragen wir auch unser Scherflein dazu bei, indem wir auf die Schwingungen des anderen einsteigen. Dabei sollten wir auf unserer Schaukel sitzen bleiben und unserem eigenen Rhythmus folgen.
Leicht ist das nicht immer. Auch für mich nicht. Ich muss lange schaukeln, damit ich einen Abstand zu schrillen Stimmen, Übergeschäftigkeit und stressigem Gehabe schaffen kann. Und wenn dann noch hinzukommt, dass mir jemand meinen Job erklärt, dann muss ich duschen gehen. Nein, nicht kalt, denn schon allein die Tatsache, dass ich mir so etwas anhören muss, kühlt mich auf unter null Grad ab. Insofern: eine warme Dusche. Um mich wieder auf Wohlfühltemperatur zu bringen und meinen inneren Kompass auf das einzunorden, was mein Norden ist. Und dort finde ich eben vor allem den Glauben an ein konstruktives Miteinander, vor allem in der Kommunikation.
Während ich mir vor dem Spiegel die Tagescreme ins Gesicht schmiere, fällt mir wieder das Spiegelgesetz ein. Ist es der Ärger über die Besserwisserei, die unvorhergesehene, weil nicht kommunizierte Deadline und damit zusammenhängende Korrekturen, oder der raue Ton, für den es immer eine Alternative gibt? Ich tupfe einen Klecks Heilsalbe auf einen Schokokeks-Pickel, er schmerzt. Genauso wie das Hineinschauen in mich selbst in Situationen wie diesen.
Ja, manchmal bin auch ich besserwisserisch, aber nicht, weil ich es tatsächlich besser weiß, sondern weil ich oft unwillig bin, den Standpunkt des Gegenübers zu verstehen. Ja, manchmal habe ich tatsächlich Probleme damit, flexibel zu sein, vor allem, wenn damit Druck verbunden ist. Und ja, manchmal möchte ich selbst meinen Allerwertesten ausfahren, um sicherzustellen, dass der andere auf seiner Schwingungsebene die Botschaft versteht. Wie Sie merken: Das dritte Beispiel ist mit dem Wort „möchte“ versehen. Und da liegt meine Lernchance gemäß dem Spiegelgesetz.
Normalerweise ziehe ich mich zurück, wenn ich mich ärgere. Weil ich in Situationen wie diesen zu aufgewühlt bin, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Weil ich meinen Standpunkt erst finden muss, damit ich für meine Begriffe angemessen reagieren kann. Das braucht seine Zeit, und nicht selten passiert es dann, dass ich antworte, wenn der andere bereits auf einem ganz anderen Dampfer unterwegs ist und schon gar nicht mehr präsent hat, was eigentlich das Thema war. Und ich kriege dann die Ohrfeige dafür, dass ich „nicht loslassen“ kann. Hätte ich gleich zurückgebrüllt, unreflektiert, impulsiv, aus dem Ego heraus, hätte die Situation vielleicht eher gelöst werden können. Vielleicht.
Vielleicht gibt es aber auch ein Mittelding zwischen „gut gebrüllt“ und „gut überlegt“. Vielleicht liegt dieser Mittelweg genau darin, dass ich daran arbeite, einfach meine Empfindungen auszudrücken, nachdem ich dreimal geatmet habe. Weil mich das mit mir selbst verbindet, ich aus der Situation aber trotzdem nicht fliehe. Solange wird das Gedächtnis des Gegenübers wohl anhalten – hoffentlich. Und falls nicht, hat sich die Angelegenheit ohnehin erledigt.
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