Man kann sich in den sozialen Netzwerken verlieren, doch hin und wieder bleibt etwas hängen, was gerade sehr ins tägliche Leben passt.
Eines dieser Instagram-Postings, die man genau einmal sieht und dann nie wieder findet, sagte sinngemäß: „Gelassenheit ist das Akzeptieren des Nichtperfekten.“ Und mir scheint, dass genau das vielen Menschen im Moment schwerfällt. Nach einem schwierigen Jahr der Transformation will man schließlich endlich einmal etwas haben oder sein, was leicht geht, sich gut anfühlt und perfekt gelingt. Wenn alle drei Hoffnungen unerfüllt bleiben, geht einer natürlich schnell die Geduld flöten. Kürzlich habe ich gehört, dass Rauchen sehr viel mit Ungeduld zu tun hat, was eine völlig neue Erkenntnis für mich war, aber auch sehr zutreffend auf meine persönliche Situation. Vielfach rauche ich nämlich tatsächlich, wenn ich die Zeit verkürzen möchte, sprich sich meine Geduld für etwas langsam, aber stetig dem Ende zuneigt. Doch das ist eine andere Geschichte.
Trotzdem: Momentan hätte ich Grund genug, ungeduldig zu sein, weil vieles auf meinem Zettel steht, ich aber nur Schritt für Schritt arbeiten möchte. Deshalb muss ich mir eingestehen, dass ich nur mit mir selbst ungeduldig sein dürfte. Und nachdem ich in den vergangenen Jahren gelernt habe, vor allem mit mir selbst sanft umzugehen, werde ich das bestimmt nicht in Kettenrauchen ausarten lassen. Und eines habe ich auch gelernt: Perfektion ist nur ein Konstrukt, eine Vorstellung, manchmal sogar eine Utopie.
Deshalb mag ich Orte, die ein bisschen schäbig sind - beispielsweise in Südfrankreich oder auch in Kapstadt. Deshalb finde ich meinen Mann besser aussehend als Channing Tatum, weil ihm die durch das Surfen angeschlagene Nase das gewisse Etwas gibt, das ich bei „Magic Mike“ vermisse. Deshalb mag ich das Denken ums Eck, weil manche Lösungen viel besser sind, wenn man die Sachverhalte eben nicht nur in Schwarz-Weiß wälzt.
Das alles braucht natürlich Vorbereitungszeit und innere Arbeit. Vorbereitungszeit insofern, dass man sich selbst eben darauf eingroovt, dass Dinge schiefgehen können. Allerdings sollte man nicht sofort in den Panikmodus verfallen, sondern einfach einmal durchatmen und die Optionen durchdenken - sachlich. Und alles für möglich erachten. Denn Selbstzensur ist schon grundsätzlich übel, geschweige denn bei der Suche nach Lösungen. Alles darf möglich sein, auch der abstruseste Weg. Hier kommt die innere Arbeit ins Spiel, nämlich über seinen eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und sich selbst Neues zuzutrauen. Nicht stur in einer Position zu verharren, sondern zu überlegen, ob man sich nicht doch von einer Einstellung oder Überzeugung wegentwickeln könnte. Mir hilft da immer, meine Werte zu überprüfen, auch meine Intention. Ein wunderbares Beispiel dafür ist meine Mutter, die ihr Witwendasein total im Flow gestalten kann, weil sie kreative Wege ausprobiert und feststellt: „Da geht tatsächlich etwas!“ Ihre Überraschung, dass Dinge flutschen können, ist mir ein steter Quell von Freude.
Der meinungskonsistente (andere würden es unfreundlich „stur“ nennen) Stier in mir überlegt sich ganz genau, wann er Dinge unbedingt und unverhandelbar so haben will, wie er sich das einbildet. Und fragt sich dann, woher die Bedingungslosigkeit kommt. An der Wurzel angekommen, passieren dann in mir zwei Dinge. Einerseits wird mir klar, was tatsächlich hinter meiner Unbeugsamkeit steckt, andererseits eröffnen sich dann für mich Wege, die ich gehen kann und auf die ich vorher nie gekommen wäre. Das mag im Außen vielleicht wie ein fauler Kompromiss erscheinen, doch im Innen fühlt es sich richtig und gut an. Und da ich ein intrinsisch motivierter Mensch bin, ist das mein wahrer Kompass.
Diese Erfahrungen haben mich misstrauisch gemacht bezüglich Perfektion. Denn für mich gibt es sie nicht. Perfekt sind für mich Situationen, in denen ich über mich selbst hinauswachsen kann, aus denen ich lernen und durch die ich mich entwickeln kann. Und das ist kein vorgegebener Standard, hat auch nichts damit zu tun, wie Pippi sich die Welt wünscht. Perfektion ist für mich ein steter Fluss und immer wieder neu. Gerade in der heutigen Zeit sollte man dem Fluss folgen und sich nicht an inneren Hindernissen festhalten. Die Gefahr, mit Gewalt weggerissen zu werden, ist einfach zu groß. Und das tut dann richtig weh!
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