Eltern sollten ihre Kinder mit Respekt behandeln, statt zu versuchen, sie mit ständigen Drohungen gefügig zu machen.
„Was sagt man da?“, fordert beim Bäcker ein Vater sein Kind auf, sich zu bedanken. Das Kind schaut fasziniert sein Brötchen an und ist innerlich beschäftigt. „Was sagt man da?“, wiederholt der Vater etwas ungeduldig. Das Kind schaut auf und sagt leise: „Danke.“ Der Vater blickt erleichtert. Er wollte der Bäckerin zeigen, dass er sich gut kümmert. Er glaubt jedoch auch, dass sein Kind nur lernt, sich zu bedanken, wenn er es immer wieder darauf hinweist. Hier ist er jedoch im Irrglauben. Denn sein Kind kennt das „Danke“ schon lange – man muss nur in sein Gesicht schauen, wenn es etwas Gutes erhält. Das Danke glänzt aus den Augen. Das Kind ist beschäftigt mit dem, was es da gerade bekommen hat. An diesem Beispiel lässt sich zeigen, was in der Kommunikation mit Kindern wichtig ist: Wissen über ihre psychische Entwicklung, Selbstreflexion und Vertrauen.
Fordern Eltern ein Kind auf, „Danke“ zu sagen, dann signalisieren sie ihm, dass sein „Danke“ nicht gesehen wurde. Sie bringen Kindern bei, auch „Danke“ zu sagen, wenn sie die Tante gar nicht mögen, von der das Geschenk kommt. Und sie fordern ein „Danke“, obwohl es sich um ein hässliches Geschenk handelt. Ein ehrliches „Danke“ von Herzen kann somit leicht übersehen werden. Es geht im Pflichtprogramm unter.
Eltern sollten darauf vertrauen, dass soziales Verhalten in Kindern angelegt ist. Ein „Danke“ erkennt man am Blick. Besteht dieses Vertrauen, ist es für Eltern auch weniger stressig. Kinder brauchen ein gewisses Alter, bis sie fähig sind, ein Geschenk zu erfassen und gleichzeitig „Danke“ zu sagen. Bis dahin reicht es, wenn Eltern sich als „Hilfs-Ich“ des Kindes zur Verfügung stellen. Das heißt, sie sagen für ihr Kind „Danke“. So erkennt der andere, dass man sein Geschenk würdigt und das Kind erfährt das Ritual des Bedankens nebenbei, ohne dass es aus seiner Welt geholt werden muss.
Überhaupt benötigen Eltern in der Beziehung zu ihren Kindern immer wieder immenses Vertrauen. Sobald sie zu sehr in Angst geraten, kann es zu einer zwanghaften Kommunikation kommen. Manchmal herrscht die Angst, das Kind habe zu wenig Respekt – es könnte einem „auf der Nase herumtanzen“. Dann hält eine Strenge Einzug, durch die jedoch nur vordergründig mehr „Respekt“ entsteht. „Ich zähle jetzt bis drei: eins, zweeeeiii …“, hört man Eltern rufen. „Das funktioniert wunderbar“, sagt eine Mutter stolz. Das Kind würde durch das Zählen viel besser hören, erklärt sie. Was sie jedoch übersieht: Sie züchtet Wut in dem Kind. Denn es reagiert nicht aus Respekt vor der Mutter, sondern aus Angst. Genauso wie beim „Haben wir uns verstanden?“ Natürlich hat das Kind verstanden, dass ihm eine Strafe droht, wenn es jetzt nicht spurt. Aber es entsteht in ihm ein Gefühl von Ohnmacht, und Wut wird genährt. ‚Warte nur, bis ich groß bin‘, denkt das Kind vielleicht.
Respekt entsteht, wenn man Respekt gibt. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, heißt es oft. Doch warum nicht? Kinder kommunizieren schon im Mutterleib. Direkt nach der Geburt nimmt das Kind aktiv Kontakt mit den Eltern auf. Es hat Gefühle und hört von Beginn an, was die Stimmen um es herum ausdrücken. Kinder können behandelt werden wie Erwachsene unter der Berücksichtigung, dass sie noch Kinder sind. Es ist hilfreich zu überlegen, wie man sich selbst fühlte, wenn man so angesprochen werden würde, wie viele Kinder: „Frollein!“ oder „Freundchen!“. Was, wenn der Partner sagte: „Jetzt aber flott! Eins, zweeeeiii …“?
„Aber das kann man doch gar nicht vergleichen“, wenden Eltern gerne ein. „Kinder sind doch noch auf einem ganz anderen Level. Sie brauchen Grenzen!“ Natürlich brauchen Kinder Grenzen. Aber nicht dieser Art. Wenn ein Kind seine Eltern wütend oder traurig macht, dann ist es mit der emotionalen Grenze der Eltern in Kontakt gekommen. Viele Eltern trauen sich hier aber nicht, authentisch zu reagieren. Mit Worten und Blicken sollten sie deutlich machen, dass das Kind zu weit gegangen ist und dass man verletzt ist. Eltern sollten ihren Kindern erklären, wenn sie sich Sorgen machen und auch, wenn sie gestresst sind.
Das Bemühen um Verstehen und Verstandenwerden bildet die Basis jeder Kommunikation.
Viele sind selbst unter Druck groß geworden. Daher kann man sich manchmal gar nicht vorstellen, dass mit den eigenen Kindern „normal“ kommuniziert werden kann – dass man also auch mit ihnen nur so umgeht, wie man es sich selbst wünscht, dass mit einem umgegangen wird. Und das reicht bis in die Pubertät: Stellen Sie sich vor, jemand nimmt Ihnen das Handy weg und kündigt an, es Ihnen erst morgen wiedergeben zu wollen. Sie würden demjenigen wahrscheinlich die Freundschaft kündigen.
Wenn gewünscht wird, dass ein Kind weniger mit dem Handy spielt, ist es die Aufgabe der Betreuenden, ihm Alternativen zu bieten: Es sollte die Bereitschaft geben, mit ihm zu sprechen, ihm zuzuhören, es vielleicht zu einem Freund zu fahren, ihm ein Musikinstrument anzubieten oder ihm andere Anregungen zur Verfügung zu stellen. Wenn man sich auf diese Weise engagiert, dann erhält man unglaublich viel zurück. Kinder müssen noch nicht einmal bestraft werden. Wenn viel Zeit gemeinsam mit ihnen verbracht wird, dann sehen sie, wenn sie einen verletzt haben. Allein das Schuldgefühl, das dann entsteht, ist Strafe genug.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 115: „Rede mit mir!"
Erfährt ein Kind, dass es zu weit gegangen ist, dann bekommt es von sich aus Angst, die Liebe der Eltern zu verlieren. Es wird bemüht sein, Dinge wiedergutzumachen. Das Kind benötigt dann nur Zeit und Raum für seine Wiedergutmachungsversuche. Die sind meistens so zart, dass sie im hektischen Alltag untergehen. Doch das Wiedergutmachen ist ein tiefer Drang in Kindern – ebenso wie in einem selbst. Und wenn Kinder nicht mehr bestraft werden, dann ist das Leben auch für die Erziehenden leichter: Wir müssen nicht mehr daran denken, was passiert ist und welche Konsequenzen dieses Verhalten nun nach sich ziehen soll. Schwierige Situationen können sich viel rascher wieder normalisieren. Die Beziehung zum Kind wird insgesamt entspannter. Dabei hilft es auch sehr, wenn man sich selbst und die eigenen Grenzen gut kennt. Das unterstützt Kinder, die Eltern besser zu verstehen. Sie fühlen sich im Dialog mit ihnen wohler. Das Bemühen um Verstehen und Verstandenwerden bildet die Basis jeder Kommunikation.
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