Herumlaufende Kinder, laut telefonierende Personen – es gibt viele Gründe, warum eine Therme nicht unbedingt immer entspannend ist. In einem japanischen Spa in Stockholm habe ich aber die Ruhe gefunden, die ich suchte. Ein entspannter Erfahrungsbericht.
Im Höhlenbad lasse ich mich fallen. Das Wasser ist nicht tief. Ich lasse mich einfach treiben. Ein guter Anfang, denke ich. Hin und wieder findet ein Tropfen von der Steinwand über mir seinen Weg direkt in mein Gesicht – ich nutze das kalte tropfende Wasser, um mich ganz auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. So kann ein entspannter Tag im Yagsura Spa beginnen.
Das Yasuragi Spa in den Schären Stockholms wurde vom japanischen Architekten Yoji Kasajim als Konferenzzentrum geplant und 1970 erbaut. Die Schären sind eine Insellandschaft östlich der schwedischen Hauptstadt. Im Jahr 1997 wurde das Konferenzzentrum zu einem Spa umgewandelt. Da das Konferenzzentrum schon japanisch angehaucht war, entschloss man sich, das Spa ebenfalls an diesen Stil anzulehnen. Japanische Pagoden stehen im Gegensatz zur rauen Natur Skandinaviens. Das Gebäude ist jedoch erst einmal alles andere als einladend. Es sieht alt aus.
In der Früh erfuhr ich von der Dame an der Rezeption, dass „Yasuragi“ auf Deutsch „Frieden“ bedeute. Den will ich für einen Tag hier finden. Jeder Besucher des japanischen Spa erhält bei seiner Ankunft einen einfachen schwarzen Badeanzug beziehungsweise eine Badehose, einen Kimono und Schlappen, die während des Aufenthalts getragen werden sollen. Telefone sind in fast allen Räumen verboten. Der Zutritt für Personen unter sechzehn Jahren ist untersagt. Zusätzlich erhält jeder Gast ganz am Anfang eine Anleitung zu einer rituellen Waschung. Diese sei wichtig, um sich optimal auf den Tag einzustimmen.
Nach meiner rituellen Wäsche erkunde ich den japanischen Spa-Bereich. Der ist kleiner als die meisten Thermen, die ich vorher besucht habe, aber um einiges stilvoller und moderner. Alles ist aus Holz und Stein. Ich habe das Gefühl, sie strahlen Wärme aus. Ich bin begeistert. Die Tatsache, dass außer mir kaum weitere Besucher da sind, hilft mir, mich wohlzufühlen.
Es ist unglaublich ruhig hier, fast so, als würde die Zeit stillstehen.
Für den Tag habe ich mir drei der angebotenen Aktivitäten ausgesucht: japanische Morgengymnastik, Klangschalenmeditation und Hatha-Yoga. Als Erstes steht die Morgengymnastik auf dem Programm. Die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind deutlich älter als ich. Die Instruktorin gibt uns einen historischen Einblick in diese Art der Körperübung und erklärt uns kurz, worum es bei der Aktivität geht. Danach zählt sie auf Japanisch – nein, sie schreit. Aber sie tut dies mit einem Lächeln im Gesicht. Ich fühle mich ein wenig fehl am Platz. Alle wissen offenbar, was sie machen müssen, während ich verzweifelt versuche, die Bewegungen der Lehrerin zu kopieren, und dabei ein ums andere Mal scheitere. Glücklicherweise ist alles bereits nach fünfzehn Minuten wieder vorbei.
Im Ruhebereich höre ich, wie eine Mitarbeiterin sanft, aber bestimmt einen Besucher auf das Telefonverbot hinweist: „Telefone lenken uns vom gegenwärtigen Moment ab. Um wirklich abzuschalten, müssen wir auch unsere Telefone abschalten“, erklärt sie. Nach einer Tasse Tee geht es für mich zur Klangschalenmeditation. Eine Einführung erhalten wir hier nicht. Wir sollen uns einfach gemeinsam auf eine Reise begeben, heißt es. Wir liegen entspannt auf dem Boden. Große und kleine Klangschalen werden rhythmisch angeschlagen. Die Töne füllen den Raum und lassen meinen Körper mitschwingen. Von manchen Klängen bekomme ich Gänsehaut. Ein Herr ist eingeschlafen und schnarcht in Ruhe vor sich hin. Auch das ist Wellness, denke ich mir, und freue mich für ihn. Ich konzentriere mich weiterhin auf die verschiedenen Klänge und beobachte, wie sie jeweils einen anderen Einfluss auf meinen Körper haben. Manche Klänge überraschen mich, andere schleichen sich langsam von den Zehen- und Fingerspitzen heran, um dann eine Ruhe und Wärme im ganzen Körper ausstrahlen. Die Zeit vergeht rasch. Nachdem die Stunde vorbei ist, fühle ich mich richtig entspannt. Schwebend fast.
Als Nächstes steht das Mittagessen auf dem Programm. Wer hier nach Fastfood sucht, ist fehl am Platz: Es gibt Sushi. „Das Essen soll füllend, aber auch leicht sein“, erklärt mir die Kellnerin. Mir fällt auf, dass viele allein hier sind.
Im japanischen Spa-Bereich genieße ich die Sauna mit Aussicht auf das Wasser. Ich genieße, dass alle Besucher die gleiche einfache Badekleidung tragen. Mich begeistert, dass hier niemand telefoniert, Bilder macht und keine kreischenden Kinder herumlaufen. Es ist unglaublich ruhig, fast so, als würde die Zeit stillstehen. Ich besuche alle Bereiche ein letztes Mal, bevor ich mich für meine letzte Aktivität fertig mache: Hatha-Yoga. Die Yoga-Lehrerin ist sehr freundlich und zeigt zu jeder Übung Alternativen: für Sportlichere und weniger Sportliche.
Entspannung im Japanischen Spa
Nach der Yoga-Stunde lege ich mich mit einer Tasse Tee und einer Banane in den Ruhebereich. In einem Massagesessel genieße ich die Aussicht: auch hier wieder Blick auf die Schären und das Wasser. Ich lasse den Tag in Ruhe Revue passieren. Einige Gedanken lassen mich nicht los: Obwohl ich die Idee mit der einheitlichen Badekleidung wundervoll finde, werden Besucher und Besucherinnen, die aus verschiedensten Gründen ihre Haut verdecken wollen, automatisch ausgeschlossen. Von dem abgesehen bin ich im Großen und Ganzen sehr zufrieden – und vor allem entspannt.
Weitere Informationen zum Yasuragi Spa finden Sie unter www.yasuragi.se
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"
Fotos Teaser und Header © Yasuragi Spa